Zum Geburtstag gibt es eine eigene Gasse

Der Erste Beigeordnete Jürgen Katz und Bürgermeister Walter (Zweiter von rechts) übergeben ihr
Geschenk an die beiden Nachtwächter Manfred Nittel (links) und Gerd Diebold . Foto: Jürgen Bach

Hört ihr Herrn und lasst euch sagen …“ so tönt es am Samstagabend immer wieder durch
die Weiler Altstadt. Die beiden Nachtwächter Gerd Diebold und Manfred Nittel hatten ihre
Zunftbrüder eingeladen und die kamen auch, aus Deutschland, aus Dänemark, aus Holland
und Frankreich. Sie wollten alle dabei sein, wie ihre Kollegen aus Weil der Stadt das 20-
jährige Bestehen ihres Amtes feiern und von der Stadt geehrt werden. Das Stadtfest auf dem
neugestalteten Marktplatz bildete den geeigneten Rahmen dafür.
Zwar beginnt die Ehrung auf der Bühne vor dem Rathaus mit deutlicher Verspätung, denn die
auswärtigen Vertreter der Europäischen Nachtwächter- und Türmerzunft sind in Merklingen
„gestrandet“, weil der beauftragte Bus nicht kam, und der Bürgermeister Christian Walter
muss die vielen Gäste ein ums andere Mal vertrösten. Doch schließlich treffen sie am
Marktplatz ein, die Nachtwächter aus Beek in den Niederlanden, aus Odense in Dänemark,
aus Turckheim in Frankreich, aus Zwönitz im Erzgebirge, Dinkelsbühl, Dülken, Burladingen,
Gengenbach, Wolfach und Horb, um nur einige zu nennen. Ausgestattet mit ihrer schwarzen
Berufskleidung samt Hut und Umhang, Hellebarden und Laternen bieten sie ein imposantes
Bild auf dem Marktplatz.
Christian Walter spricht über die Bedeutung der Nachtwächter in der Geschichte der Stadt
und dass es dieses Amt schon im 13. Jahrhundert gegeben habe. „Heute sind Sie so etwas
wie ein Wahrzeichen der Stadt“, betont er. Von Ostern bis Ende Oktober sind die beiden
Nachtwächter alle zwei Wochen freitagabends auf Führungen mit Gästen unterwegs. Die
Rekordbeteiligung bei einer Führung habe laut Gerd Diebold einmal bei 200 Besuchern
gelegen. Die Vorsitzende des Heimatvereins Weil der Stadt, Kathrin Fischer, erinnert daran,
dass der Verein anfangs die beiden neuen Nachtwächter unterstützt habe – bei der
Anschaffung von Dienstkleidung und auch mit den historischen Inhalten ihrer Touren.
Natürlich ist bei einem Geburtstag auch ein Geschenk fällig. „Wir haben streng geheim in
nichtöffentlicher Sitzung im Gemeinderat beschlossen, eine bisher namenlose Gasse in der
Nähe der Flotzgasse ganz offiziell als Nachtwächtergässle zu benennen“, sagt der
Bürgermeister und präsentiert zusammen mit dem Ersten Beigeordneten Jürgen Katz zwei in
Kupfer gefasste und mit Hellebarde und Laterne dekorierte Straßenschilder. „Und das Beste
ist“, so der Bürgermeister, „dass Gerd Diebold, der frühere Wassermeister der Stadt, die
Schilder selbst hergestellt und dadurch die Stadtkasse geschont hat.“ Die beiden
Nachtwächter freuen sich sichtbar über diese Ehrung für ihr Engagement für die Stadt. „Wer
hätte gedacht, dass aus meiner Idee, meinen Kollegen zum Geburtstag als Nachtwächter zu
überraschen, so etwas wird“, sagt Manfred Nittel. Im Gespräch mit unserer Zeitung erinnert
sich der 73-Jährige schmunzelnd daran, dass die Leute anfangs gedacht haben, da komme
ein Eisenbahner, wenn er etwa bei Geburtstagen auftrat.
Doch das änderte sich rasch. Von der ehemaligen Vorsitzenden des Heimatvereins, Rose
Schnaufer, sowie vom früheren Bürgermeister Hans-Josef Straub seien sie zu Beginn sehr
unterstützt worden. „Rose Schnaufer hat angeregt, dass wir auf dem Stadtfest 2002 als
Nachtwächter auftreten“, erzählt Manfred Nittel. Ex-Bürgermeister Straub erinnert sich im
Gespräch, dass es damals Stimmen gegeben habe, die meinten, dass die Stadt so etwas
nicht brauche.
Davon kann heute keine Rede mehr sein. Die Nachtwächter sind über die Stadtgrenzen
hinaus bekannt und repräsentieren die Kommune auch auswärts bei offiziellen Anlässen.
Und sie sind international vernetzt, wie das Auftreten der europäischen Zunftbrüder zeigt.
Nach der Ehrung auf dem Marktplatz treffen sich die rund 30 Vertreter der badenwürttembergischen

und der europäischen Nachtwächterzünfte – unter ihnen als einzige Frau
eine Türmerin aus Heidelsheim – auf dem Platz vor der katholischen Kirche. Dort stellen sie
sich zum Teil recht humorvoll vor. Und immer wieder stimmen die Schwarzgewandeten das
Nachtwächterlied an, das mit den Worten beginnt: „Hört ihr Herrn und lasst euch sagen …“